Freitag, 3.3.23, 19:30 Uhr / Mittelrheinliga 16. Spieltag / Bonner SC – FC Hürth 4:1
von Torsten Weyers
Bonn. Wir erinnern uns, der Bonner SC war als der Topfavorit in die Saison gestartet. Diesen Stempel bekommt man als Absteiger automatisch, allerdings wurde es so auch von den Verantwortlichen propagandiert, die Favoritenrolle als einer Art Selbstverständlichkeit erachtet. Dabei unterschätzte man ggf., dass man 16 neue Spieler zu integrieren hatte. Sowie vermutlich auch die Konkurrenz. Denn mit 1,9 Punkten pro Spiel erreichte man zwar einen passablen Schnitt, aber Hennef, Wegberg und sogar Vichttal waren besser. So ging es mit 8 Punkten Rückstand auf Platz 1 an diesem Freitagabend vor 440 Zuschauern im Bonner Sportpark in die Rückrunde.
Beim FC Hürth werden Saisonziele nicht so klar nach außen kommuniziert oder fließen am geneigten Beobachter irgendwie vorbei. Damit ist nun Schluss, denn der erste Vorsitzende Karl Zylajew erklärte dem Hürther Stadtmagazin diese Woche, „dass die Top 5 jedes Jahr das Ziel des FCH ist“. Und, „dass man lieber ein 4:3 als ein 1:0 sieht.“ Was wiederum verständlich ist, denn in der Hinrunde tat man sich als die Remiskönige der Liga hervor und Spektakel gab es eher im Pokal. Platz 5 war vor dem Spiel 7 Punkte entfernt, der erste Abstiegsplatz allerdings auch. Aber keine Sorge, das hat man von Vereinsseiten, wie auch die bisweilen fehlende Durchschlagskraft im letzten Drittel des Spiels – sowohl zeitlich als auch räumlich – im Blick.
Letzte Woche war der Bonner SC im Mittelrheinpokal nach Verlängerung mit 3:4 gegen Eintracht Hohkeppel ausgeschieden. Eine emotionale, aus Bonner Sicht, unnötige Niederlage, die den BSC-Coach Lukas Sienkiewicz ggf. so nach dem Motto „jetzt erst recht“ dazu veranlasste, mit der gleichen Elf zu beginnen. Diese lief stark offensiv orientiert in einem 4-2-3-1 auf. Schaute man dann auf die Hürther Aufstellung und den Hürther Kader, konnte einen doch eine kalter Schauer von Demoralisierung ergreifen. Natürlich nicht wegen der Spieler, die dabei oder besser noch dabei waren, sondern all derer, die da fehlen. Gleich 13 Akteure des Stammkaders standen nicht zur Verfügung (dazu noch die fünf „nur“ intern kompensierte Winterabgänge). Die hohe Ausfallquote zieht sich wie ein roter Faden durch die Saison und spätestens jetzt konnte man vom sogenannten letzten Aufgebot sprechen, ohne sich eines Jammerns auf hohem Niveau verdächtig zu machen. Im Vergleich zum Pokalspiel gegen Düren rutschte Loppe für Park in die Innenverteidigung, Fiegen kam ins Team und übernahm Loppes Mittelfeldhalbposition, Ito stürmte statt Lal. Auf der Ersatzbank firmierte Torwart Mehl als Feldspieler, Deniz Akyol als Ersatzkeeper, Pierre Mohr und Max Engelkamp füllten aus der zweiten Mannschaft und Aldin Plavulj aus der Jugend den Kader auf. Taktisch agierte man wie häufig in einem 4-4-2 mit Raute.
Die ersten 10 Minuten gingen noch als ein Abtasten durch, danach übernahm der Bonner SC das Kommando. In der 19. Minute konnten sie sich die erste Großchance erspielen, die Somuah nach Vorarbeit von Gonzalez auch direkt zum 1:0 nutzte. Biss und Glück brachten aber postwendend den Ausgleich. Eine Flanke von Sabuktekin wurde vom Bonner Goalie Birk nur halbherzig begrüßt, so dass Ito dazwischen gehen konnte und in der 20. Minute artistisch das 1:1 markierte. Damit war man eigentlich wieder dort angelangt, wo das Spiel angefangen hatte. Man konnte irgendwie mithalten, halbwegs früh stören, den Gegner fernhalten und teilweise für offensive, wenn auch harmlose Entlastung sorgen. Diese Art von Mitspielen, scheint dem FCH immer etwas die Konzentration zu rauben. Anders als z. B. nach einem Gegentor, wo man, wie auch jetzt, sofort da ist, und wenn‘s gut läuft, die Chancen beim Schopfe packt. In der Phase der aber – nennen wir es mal – geistigen Genügsamkeit, gab es eine Ecke von Bonn, die kurz ausgeführt zu einer abgefälschten Flanke von Gonzalez führte, welche wiederum Keita mit dem Kopf verlängerte, was etwas Unübersichtlichkeit im 16er mit sich brachte, so dass der im Hintergrund ausharrende Perrey ziemlich frei dieses Konvolut an Situationen in der 28. Minute mit dem 2:1 abschließen konnte. Danach passierte nicht allzu viel und man spürte, dass der Bonner Sportpark Nord nicht nur visuell eine gewisse Nord-Kälte ausstrahlt, sondern dass es auch von der Temperatur her kalt war, dem man aber mit dem Bonner Catering solide begegnen konnte. Erst kurz vor der Pause ab der 42. Minute kam wieder etwas Schwung in die Partie. Bonn erspielte sich in drei Minuten fünf Offensivaktionen, mit der inzwischen dritten Ecke als Maximum an Ertrag. FCH-Keeper Kraus reagierte, da wo nötig, sicher und mit gutem Reflex.
Hürth kam nach der Pause – wie schon zu Beginn des Spiels – an sich gut ins Spiel, arrangierte auch mal einen besseren Spielzug über den agilen Kato, konnte ihn aber nicht sauber zu Ende spielen. Und prompt kam es im Gegenzug zum 3:1 für Bonn. Gonzalez hatte gepasst, Kraus entschied sich zum raus kommen, kam aber den einen berühmten Schritt zu spät, so dass Erken in der 49. Minute locker einschieben konnte. Schade, Kraus verhinderte mit einigen guten Aktionen und auch seiner Motivation von hinten raus, eine höhere Niederlage, war aber an dem letztlich schon spielentscheidenden 1:3 nicht ganz unbeteiligt. Bonn hielt nach dem Tor den Druck noch ein paar Minuten hoch und danach verabschiedeten sich beide Teams bis zur 75. Minute in eine Art vorgezogenes Auslaufen mit Ballkontakt, wovon die Bonner deutlich mehr hatten. Die hiernach folgende sechste Ecke leitete dann den letzten Bonner Angriffsschwung ein. Wieder verhinderte Kraus mit gutem Reflex ein Gegentor. In der 80. Minute war ihm das nicht möglich. Augusto nutze nach Pass von Malaab eine sogenannte 100prozentige Chance zum 4:1. Der FCH gab nun endgültig auf und der Bonner SC brachte das Spiel ungefährdet zum Sieg, der vielleicht auch noch ein Tor höher hätte ausfallen können.
Egal wer aus dem großen Portfolio des FCH von inzwischen über 30 Spielern ran muss, jeder weiß was er zu tun hat und packt mit an. Taktisch liefert man Qualität, die Einstellung, die Kampfbereitschaft stimmen. Das ist bei der hohen Fluktuation im Kader nicht selbstverständlich, sondern positiv bemerkenswert. Geht es gegen Gegner von der Kategorie Bonns, tun sich aber Lücken auf. Da fehlt dann der eine oder andere Spieler schon. Dazu schleichen sich in der Defensive Konzentrationsmängel ein, vielleicht, weil man auch mal durchatmen müsste. Dafür ist die Offensivbewegung als Entlastung aber häufig zu stumpf. Zu langsames Nachrücken, fehlendes Tempo im offensiven Eins gegen Eins, kein wirklich konkretes Passspiel im letzten Drittel. Gegen die Topteams wird es vermutlich zäh und schwer bleiben. Auch sonst wird man in dieser starken 5. Liga eher keinen gegen die Wand spielen, muss sich aber auch nicht verstecken. Taktische und kämpferische Disziplin stimmen, etwas mehr Vertrauen in individuelle Möglichkeiten und vielleicht eine Prise Pokalgeist, sollten für die nötigen Punkten gegen unten oder doch noch nach oben sorgen.
BSC: Birk – Prangenberg, Keita, Perry, Schirmer – Pommer (83. Adahchur), Augusto (85. Ksiouar), Erken (85. Decker) – Malaab (81. Shala), Gonzalez – Somuah (70. Tackie-Sai) –
Ersatz: Hubert (T), Maloko,
Trainer: Sinkiewicz
FCH: Kraus – Sabuktekin, Loppe, Fleischer, Gaun (L. Göker) – Kato (84. Mohr), Fiegen, J. Göker, Keshta – Ito (84. Mehl), Kametas (72. Plavulj) –
Ersatz: Akyol (T), Engelkamp,
Trainer: Heitmann
Torchancen: 4:0 (OA 21:10 / QI 39%: 25% / TI 8,2:2,5)
Tore: 0:1 Somuah (Gonzalez) 19., 1:1 Ito (Sabuktekin) 20., 2:1 Perrey (Keita) 28., 3:1 Erken (Gonzalez) 49., 4:1 Augusto (Malaab 80.),
SR: Tobias Altehenger – Zuschauer: 440