Der 18-jährige Ukrainer David spielt erfolgreich beim FC Hürth
Hürth. Der Ukraine-Krieg in den Nachrichten besteht meist aus Zahlen und Berichten, die einen nicht direkt betreffen und oft auch nicht besonders berühren. Anders wird das, wenn man jemanden kennt, der direkt betroffen ist. Jemanden, der als Jugendlicher sein Land verlassen musste – ohne seinen Vater, weil dieser das Land nicht verlassen darf. So jemand ist David, 18 Jahre jung, und Spieler der A-Jugend des FC Hürth. Wenn man sieht, wie ernst er seinen Sport nimmt und wie ehrgeizig er ist, muss man Respekt haben vor so viel Energie und Zielstrebigkeit. Und wenn David sagt, dass er den Kontakt zu seinem Vater halte und einmal in der Woche mit ihm telefonieren kann, kann einem das auch schon mal den Atem stocken lassen. Einmal in der Woche telefonieren? Krieg? Seit zwei Jahren nicht gesehen? Herz zerreißend und schlimm. Aber David gibt nicht auf und verfolgt sein Ziel.
David ist Ukrainer, geboren und aufgewachsen in Kiew. Um Fussball drehte sich schon fast immer alles in seinem Leben. Er hat Talent, hatte Erfolg und ging seinen Weg: mit seiner U14-Mannschaft wurde er ukrainischer Meister und erreichte mit seinem U16-Team das Finale um den ukrainischen Pokal. Eine erfolgreiche, sportliche Karriere zeichnete sich ab. Dort in Kiew, wo er sein ganzes Leben verbracht hat – bis der Krieg kam.
Danach verließ er mit seiner Mutter und seinem 12-jährigen Bruder das Land – aus Sicherheitsgründen. Und seit gut 2 Jahren leben die drei jetzt in Deutschland, genauer gesagt in Leverkusen, unweit der BayArena. Weil dort zuvor schon sein bester Freund, der ebenfalls David heißt, mit seiner Familie hingezogen ist. Dort in Leverkusen besucht David die Internationale Klasse in einem Berufskolleg um Deutsch zu lernen. Er spricht die fremde Sprache schon gut und lernt schnell.
In Deutschland begann neben aller Fremdheit und Eingewöhnung auch sportlich ein neues Leben. „Ich hatte keinen guten Start mit dem Fußball in Deutschland. Zuerst spielte ich bei Viktoria Köln, aber wegen Problemen mit den Papieren konnte ich nicht für die Saison gemeldet werden. Dann wechselte ich zu SC West, aber auch dort konnte ich wegen der Dokumente längere Zeit nicht spielen. Als die U19 dann aus der Mittelrheinliga abstieg blieb ich trotzdem in der unteren Klasse, weil mein Trainer mich darum gebeten hatte, doch er wurde dann kurze Zeit später entlassen und mir blieb, so kann man sagen, nichts“, so David.
Also alles ziemlich ernüchternd und alles andere als ein gutes Durchstarten in Deutschland. Doch dann kam die Anfrage für ein Probetraining vom FC Hürth und seitdem geht es aufwärts. Denn Trainer Nico Beck nahm ihn sofort in sein U19-Team auf und baut seit Saisonbeginn auf den jungen Ukrainer. „Die ersten drei Spiele in der Liga saß ich zunächst auf der Bank und kam jeweils in der zweiten Halbzeit zum Einsatz. Ich zeigte gutes, stabiles Fußballspiel, und Nico entschied, mich in die Startelf zu stellen. Die letzten Spiele spielte ich fast immer 90 Minuten durch“, freut sich David.
Beim FC Hürth trägt er die Rückennummer 9, spielt 6er oder 8er und hat starke Konkurrenten. David: „Meine Konkurrenten um einen Platz in der Startelf sind Joel, Hannes und Luka, aber gute Konkurrenz ist meiner Meinung nach gut. Mit jedem Training und jedem Spiel wird man besser. Die drei sind tolle Jungs, mit ihnen wird es nie langweilig, sie sind sehr lustig. Wir verstehen uns gut, trotz der Konkurrenz.“
Das sieht auch Trainer Nico Beck so, David sei auch neben dem Platz ein sehr höflicher und hilfsbereiter Teamplayer, so Beck, der David so einschätzt: „Er ist menschlich wie sportlich ein sehr wichtiger Spieler für uns. Auf dem Feld zeichnet er sich durch seine gute Technik und seinen hohen Einsatzwillen aus. Man merkt ihm an, dass er sein Herz auf dem Platz lässt und sich auch von anfänglichen Sprachbarrieren nicht bremsen lässt,“ sagt sein Trainer über ihn.
Zudem hat er einen guten Blick für das Spielgeschehen, versucht schnelle Entscheidungen zu treffen und einen guten Pass zu spielen: „Ich würde nicht sagen, dass ich besonders schnell bin, aber meine Technik ist gut und meine Kondition ist so, dass ich ohne Probleme ein ganzes Spiel durchspielen kann.“
Dreimal Training und ein Spiel pro Woche bedeutet vier Mal von Leverkusen nach Hürth zu reisen: ohne einen Vater, der einen fahren kann. Das sind bei 1,5 Stunden pro Weg mit Bahn und Bus und bei Wind und Wetter schon mal alleine 12 Stunden in der Woche ohne einmal gegen den Ball getreten zu habe. Da muss einer schon genau wissen, was er will, wofür er brennt. Aber das weiß David schon ganz genau: „Mein ganzes Leben ist mit Fußball verbunden und ich bin überzeugt davon, dass ich es schaffe, Profifußballer zu werden. Ich tue dafür jeden Tag alles, was möglich ist“, sagt er, dessen Ziel es ist, einmal an einem Europapokalspiel teilzunehmen und der nach seiner aktiven Karriere Fußballtrainer werden möchte.
Doch auch wenn sich viel in David`s Leben um den Fussball dreht, der Krieg dominiert schließlich doch. Er, der selbst unter Bombenangriffen gelitten hat, ist Deutschland für die Aufnahme und die Hilfe dankbar. Auf die Frage nach einem Wunsch jetzt in der Weihnachtszeit, sagt David dann auch: „Ich wünsche mir sehr, dass die Menschen die Ukraine nicht vergessen und dass sie nicht vergessen, was in meinem Land passiert. Dort geschehen jeden Tag schlimme Dinge. Russland greift mein Land an, meine Heimatstadt wird mit Raketen, Luftangriffen und Drohnen bombardiert. Sehr viele unschuldige Menschen sterben durch den Krieg, den Russland begonnen hat. Bitte vergesst das nicht.“
von Achim Hannott