Deutsches Ausscheiden so früh „etwas peinlich“
Hürth. Auch beim FC Hürth spielen viele Kinder und Jugendliche Fussball, deren Eltern oder zumindest ein Elternteil aus einem anderen Land kommen. Für diese Kinder sind Weltmeisterschaften besondere Zeiten, weil man immer denkt, dass Deutschland weiter kommt als viele andere Nationen und manche ein wenig auf diese herabblicken. Spannend wird es, wenn dem nicht so ist und Deutschland so früh ausscheidet wie dieses Mal. Wir sprachen mit drei Spielern des FC Hürth mit Wurzeln in Marokko, Polen und Brasilien, also Ländern, die weiter kamen als Deutschland und fragten nach deren Meinung.
von Achim Hannott
„Natürlich geht`s mir super“, strahlte Noori (13) über`s ganze Gesicht am Tag nach dem gewonnenen Spiel gegen Portugal und dem Einzug Marokko`s ins Halbfinale der WM. Seine Familie hatte das Spiel in einem übervollen marokkanischen Restaurant auf den Ringen in Köln erlebt. „Wir haben das ganze Spiel über getanzt und gesungen und beim Schlusspfiff sind alle ganz schön ausgerastet vor Freude“, sagt der Gymnasiast. Jeder von Torhüter Bono gehaltene Ball sei gefeiert worden wie ein eigenes Tor. Noori erhielt viele Glückwünsche, Freunde schrieben voller Anerkennung und gratulieren zum großen Erfolg des ersten afrikanischen Halbfinalisten. Und natürlich hätte Marokko auch gerne das Halbfinale gegen Frankreich gewonnen, doch es sollte nicht sein. „Ich bin trotzdem zufrieden und auch wenn manche Trauerträne geflossen ist, können wir mit der WM doch sehr zufrieden sein“, so Noori, der sich jetzt auf das Spiel um Platz 3 freut. Deutschland hätte er das Weiterkommen auch gegönnt und wäre bei einem direkten Aufeinandertreffen eher für Marokko – das Land seines Vaters – gewesen. „Weil Deutschland ja schon so viele Sterne hat“, lautet seine einleuchtende Begründung.
„Beim letzten Gruppenspiel von Deutschland gegen Costa Rica hatte ich schon ein komisches Gefühl was das Weiterkommen angeht“, sagt Joel (15), der einen polnischen Vater hat und dem das Ausscheiden unserer Nationalmannschaft für seine deutsche Mutter schon leidgetan hat. Umso mehr freute er sich über den Erfolg Polens und bei einem direkten Aufeinandertreffen beider Mannschaften hätte er wohl klar zu Polen gehalten, „weil Polen ja eher der Underdog gewesen wäre“, so Joel. Er ist stolz auf die Leistung der Polen und glaubt, dass noch mehr drin gewesen wäre, doch hätte Superstar Robert Lewandowski aus seiner Sicht mehr Unterstützung aus dem Team heraus bekommen müssen. „Man hätte die Formation anders wählen müssen, dann hätte Lewandowski wirkungsvoller und Polen erfolgreicher sein können“, meint er. Seinen Freunden, insbesondere den deutschen Freunden, hätte man den Frust des eigenen Misserfolgs schon angemerkt und sie hätten auch etwas neidisch auf das polnische Erreichen des Viertelfinales geblickt. Doch das ärgert den Gymnasiasten aus Köln nicht: „Das ist unter Freunden normal.“ Wer jetzt Weltmeister wird, steht für Joel auch schon fest: Argentinien, davon ist er fest überzeugt.
Den Weltmeistertitel hätte sich Hektor (der in der C-Jugendmannschaft des FC Hürth natürlich das Trikot mit der 14 trägt) eher für sich und das Land seiner Mutter – nämlich Brasilien – gewünscht. Doch dieser Traum ist im Viertelfinale gegen Kroatien auch schon geplatzt. Er findet das Ausscheiden Deutschlands in der Vorrunde „etwas peinlich“, zumal es 2018 ja auch schon früh nach Hause ging. Aber man hätte sich mehr auf Fußball und weniger auf Politik konzentrieren sollen, so der 13-jährige Gesamtschüler. „Deutschland hat auch nicht mehr so eine Freundesgruppe mit 11 Männern die zusammenhalten“, bedauert Hektor das frühe Ausscheiden. Wenn es zu einem Endspiel Brasilien gegen Deutschland gekommen wäre, hätte er übrigens zu Deutschland gehalten. Mit der feinen Begründung, dass Brasilien schon fünf Sterne auf dem Trikot hat.
Ebenso wie Joel findet auch Hektor gut, dass Hansi Flick Bundestrainer bleibt. Und auch er sieht Argentinien als kommenden Weltmeister. Von dem Gedanken, dass sein Land Marokko Weltmeister werden könnte, musste sich Noori im Halbfinale dann auch verabschieden. Aber er staunt immer noch, dass Brasilien, Deutschland, England und Portugal schon zuhause sind und sein Land von der ganzen Welt bestaunt und bejubelt wurde.